Aufgenommen!
In den meisten Familien gibt es einen Vater. In Helmuts Familie gibt es keinen.
Trotzdem bezeichnen sich Helmut, seine kleine Schwester Marion und die Mama als vollständige Familie.
Klar, dass es einmal einen Vater gegeben hat. Aber als Helmut gerade zwei gewesen ist und Marion geboren wurde, ist der Vater einfach abgehauen. Die Mutter hat ihnen auch von Anfang an die Wahrheit gesagt: Dass der Vater sie sitzen gelassen hat, weil er so ein Typ war, der frei sein wollte. Eine Familie, das war nichts für ihn.
»Und?« hatte Helmut gefragt »Warum hast du dir dann >so einen< ausgesucht?«
»Weil ich halt immer gehofft habe, dass sich euer Vater, wenn ihr erst einmal auf der Welt seid, ändern wird !« hatte die Mutter geantwortet. »Ich habe ihn eben sehr lieb gehabt!«
Verstehen können Helmut und Marion ihre Mutter trotzdem nicht. Obwohl es damals doch furchtbar für sie gewesen sein muss, klingt es nie wirklich böse, wenn sie von Vater spricht. Meistens hat sie dann einen traurigen Ausdruck im Gesicht und eine ganz fremde Stimme. Wie jemand aus weiter Ferne, der gerade in einem schönen Traum steckt und nicht aufwachen will.
Vielleicht ist »eine Familie bekommen« ein bisschen wie Weihnachten feiern, hat Helmut überlegt. Man freut sich riesig auf ein lang erhofftes Geschenk, und dann kriegt man etwas, was man gar nicht haben will. Vielleicht war Vater einer, der sich ganz etwas anderes als den Helmut und die Marion gewünscht hat.
Den Papa, der eigentlich keiner ist und sie alle hat sitzen lassen, finden die Kinder gemein.
Aber die Mama haben sie dafür doppelt lieb.
Auch deshalb, weil sie ihre Kinder nie anschwindelt. Sie hat ihnen niemals etwas von einem Vater vorgelogen, der angeblich gestorben ist. Oder weit weg in Australien wohnt.
Helmut und Marion wissen, dass Vater irgendwo in Schweden lebt. Ab und zu schickt er Geld. Auf Besuch kommt er nie.
Für sie ist er ein Fremder, der nicht wirklich existiert.
Seine Abwesenheit macht sich nur dann bemerkbar, wenn er längere Zeit kein Geld schickt.
Im allgemeinen kommt Mutter ganz gut ohne ihn zurecht. Sie arbeitet tagsüber in einem Frisiersalon und kommt abends oft todmüde heim.
Trotzdem ist sie nur selten schlecht gelaunt. Und sie sieht fast immer hübsch aus. Wie die Wohnung aussieht, ist ihr nicht so wichtig. Für Marion und Helmut ist das sehr angenehm. Sie brauchen nur das Geschirr zu waschen und ab und zu aufzuräumen, aber erst, wenn man vor lauter herumliegenden Sachen das Teppichmuster nicht mehr sieht. Die Unordnung ist richtig gemütlich, darüber sind sich Helmut, Marion und die Mama einig.
»Hauptsache, wir sind lieb zueinander«, sagt Mama immer, »alles andere ist nicht so wichtig«.
Es macht ihr auch nichts aus, dass die Wohnung so klein ist. Und das Auto noch viel kleiner. Nur dass die Katze so klein ist, macht der Mama Sorgen. Die Katze hat sie aus einem Mülleimer gefischt, in den sie jemand mirnichtsdirnichts hineingesteckt hat. So etwas gibt es. Weil es so etwas aber nicht geben darf, hat die Mama plötzlich mitten unterm Sonntagsspaziergang entlang der Donau kehrt gemacht und gesagt: »Ich hab‘ doch da eben etwas miauen gehört! Ich glaube, es kam aus der Mülltonne!«
Sie ist dem Jammern nachgegangen und hat die halbverhungerte Katze in einem lochrigen Plastiksack aus dem Dreck herausgezogen.
Seither ist die Katze das Familienmitglied Nummer vier.
Wirklich fehlen tut Vater dem Helmut und der Marion nicht.
Auch wenn alle anderen rundherum Väter haben.
Was diese Väter können, kann Mutter auch: fröhlich und zärtlich sein, schimpfen und fluchen. Geldverdienen und sogar ein Fahrrad reparieren. Und kochen kann sie bestimmt besser als jeder andere. Allein fünf verschiedene selbstgebackene Pizzas zaubert Mutter auf den Tisch.
Trotzdem…
Marion kaut seit ihrem vierten Lebensjahr Nägel.
»Ein Zeichen dafür«, hat die Schulpsychologin behauptet, »dass bei der Marion etwas nicht stimmt. Etwas fehlt ihr: der Vater!«
»Der bestimmt nicht«, hat ihr Marions Mutter geantwortet. »Der vielleicht nicht«, hat die Psychologin erwidert, »aber vielleicht ein anderer.«
Über dieses Gespräch hat sich Mutter furchtbar aufgeregt. Sie ist nie mehr zur Psychologin gegangen.
»Das ist ja gerade so, als wenn einer sagt: Wenn Ihnen der rote Pullover nicht gefällt, darf’s vielleicht ein blauer sein? So ein Blödsinn!!« hat die Mama geschimpft.
»Wir kommen auch so zurecht!«
Die Mama hat immer schon viel mit Helmut gesprochen und ihm viel erzählt. Fast so, als wär‘ er ein Großer. Obwohl Helmut damals das Wort Psychologin noch nicht einmal hat aussprechen können, hat ihm die Mama von dem Gespräch berichtet.
»Und was hat die >Pischologin< noch gesagt ?« hat Helmut gefragt.
Da hat die Mama herzhaft gelacht und nur wiederholt: »Wir kommen auch so zurecht Das Nägelkauen wird sich die Marion schon wieder abgewöhnen.«
»Wir brauchen niemand!« hat Helmut eifrig bestätigt. »Wir wollen keinen. Ich pass schon auf die Marion auf. Und auf dich auch!«
Nein. Helmut und Marion wollten keinen Fremden in der Familie haben. Es war doch alles in Ordnung! Ein Fremder würde sie nur stören. Nichts sollte sich ändern. Alles sollte so bleiben, wie es war. Die Mama sollte nur ihnen gehören!
Trotzdem…
Manchmal ist Helmut plötzlich traurig. Einfach so. Warum, weiß er nicht. Manchmal passiert es im Schwimmbad, sonntags. Wenn um die Mittagszeit so viele Väter auf einmal rundherum auf der Liegewiese liegen.
Familienväter mit ihren Frauen und Kindern.
Oder vor Weihnachten, bei der Schulaufführung. Wenn nicht nur die Mütter, sondern auch viele Väter zuschauen kommen. Und für fast jeden von Helmuts Klassenkameraden gleich zwei Menschen klatschen.
Dann kommt ganz plötzlich so eine stille Traurigkeit über ihn, wie ein Regenschauer.
Aber nur die Seele wird davon nass.
Meistens ist so ein Anfall von Trübsinn schnell vorbei.
Bei Marion ist das anders. Sie braucht noch viel mehr Zärtlichkeit als Helmut. Eine doppelte Portion täglich.
Auch nachts, wenn sie manchmal aus einem schlechten Traum hochschreckt und weint. Dann schmiegt sie sich an Helmut, und er versucht sie zu beruhigen. Er küsst ihr sogar die kleinen salzigen Tränen fort. Marions Salz schmeckt gut.
Warum kaut Marion wirklich andauernd Nägel, wenn sie doch mich hat, grübelt Helmut. Er hat seine Schwester furchtbar lieb. Er kann fast alles, was ein Vater kann: streicheln und liebhaben. Bei den Aufgaben helfen und die Marion hochheben und rundherum wirbeln, bis ihr quietschend vor Vergnügen schwindlig wird. Und mit ihr Sandburgen mit extra tiefen Tunnels bauen und ihr vorlesen. Wenn Marion nicht und nicht ihre Suppe hinunterbringt und die Reiskörner einzeln zählt, sitzt er
neben ihr und füttert sie, obwohl sie doch schon acht ist. Aber sie ist mager wie zwei zusammengesteckte Zahnstocher.
Die Mama sollte sich nur ja keine Sorgen machen! Sie sollte auf keinen Fall auf die Idee kommen, einen Mann zu brauchen, damit Marion einen Vater hat und nicht mehr Nägel kaut.
Naturlich geht Mama auch öfters aus.
Natürlich ist Mama auch manchmal verliebt.
Die Kinder kennen das, wenn sich die Mama länger als gewöhnlich vor dem Weggehen schminkt und sich von allen Seiten im Spiegel betrachtet. Besonders von der Seite, weil sie kontrolliert, ob man ihren Bauch nicht sieht.
Aber einen Mann in die Wohnung mitgenommen hat die Mama erst zweimal. Weil sie gewollt hat, dass der Betreffende die Kinder kennenlernt und umgekehrt sie ihn. Es war ihr besonders wichtig, dass sich die drei verständen.
Wenn einer zu ihnen heraufkam, wussten Helmut und Marion: Das ist ein ernster Fall. Achtung: Ein möglicher Papa! Aber beide Male hatten die Kinder beschlossen: Den wollen wir nicht! Wenn die Kinder nicht einverstanden waren, fiel er als Heiratskandidat durch.
Der eine hatte nach Zwiebeln gerochen.
Der andere erschien immer in Anzug und Krawatte.
Die Mutter ist dann zwar noch einige Zeit mit dem Freund ausgegangen, aber Gefahr für die Familie bedeutete er keine mehr.
Wirklich schlimme Auseinandersetzungen gibt es in Helmuts dreiköpfiger Familie plus einem Katzenkopf nicht. Auch wenn Helmut die allzu anhängliche Marion manchmal auf die Nerven geht und er mit ihr schreit, obwohl er sie doch so lieb hat.
Oft hat die Schwester gar keine Schuld. Aber Helmut will ein Bruder und ein Vater zugleich sein. Das ist nicht leicht.
Wenn Marion weint, ist Helmut sofort wieder gut. Weinen darf Marion nicht, das tut ihm von Kopf bis Fuß und bis in die Fingerspitzen hinein weh.
Manchmal schreit die Mama, aber ganz selten. Sie lässt öfters einmal etwas durchgehen. Der Frieden im Haus ist ihr wichtiger als alles andere.
Aber heute Abend hängt der Frieden ziemlich schief.
»Da stimmt doch etwas nicht!« sagt Helmut zu Marion. »Mama ist schon fast eine Stunde im Bad!«
Hineingegangen ist sie mit dem eigenartig verträumten Gesichtsausdruck, den Helmut und Marion so gut kennen. Den, den sie hat, wenn sie von Vater spricht.
Aber es geht nicht um Vater.
Es geht um einen Herrn Mondschein! Die Mama singt und pfeift und macht sich ununterbrochen schön.
Deswegen hat sie auch keine Zeit für Helmuts Deutschaufsatz: »Was ich machen würde, wenn ich ein ägyptischer Pharao wäre«. Sonst hört sie immer gespannt zu, wenn Helmut seine Aufsätze vorliest. Aber heute Abend ist der ägyptische Pharao für sie Luft. Es sei denn, er würde Mondschein heißen!
Auf alles, was die Kinder wollen, antwortet sie: »Jetzt nicht! Später!«
»Aber später gehst du doch fort!« ruft Helmut ärgerlich zurück.
»Na dann eben morgen«, sagt die Mama strahlend, als sie endlich angemalt und verkleidet aus dem Bad schwirrt.
Helmut und Marion starren die Mama an. Sie sieht verändert aus.
Helmut zuckt mit den Achseln.
Marion bohrt in der Nase, was sie immer tut, wenn sie nicht weiß, was sie sagen soll.
»Das ist neu«, saht die Mama und dreht sich um die eigene Achse. Das »Neue« ist ein schneeweißes Kleid mit vielen Rüschen und tiefem Dekolleté.Helmut ärgert es, dass die Mama so schön ist.
Schön für den Herrn Mondschein.
Und nicht für sie.
Und dass sie heute übertrieben fröhlich ist und direkt leuchtet, wie eine frischgeputzte Glühlampe!
Der Marion geht es genauso, weil sie sich plötzlich an den Helmut drückt. Die Mama, die gar so fremd aussieht, ist ihr nicht geheuer.
»Komisch siehst du aus«, sagt Marion. Weil die Mama sonst nur Hosen und hübsche Pullis trägt. Und nicht so dicke schwarze Striche um die Augen hat.
»Wie ein Koalabär!« fügt Marion hinzu.
Der Mama macht der Koalabär nichts aus.
»Wenn es läutet«, sagt sie gut gelaunt, »ist es der Herr Mondschein. Er kommt herauf, um mich abzuholen.«
Also doch!!
»Wieso…?« fragt Helmut entsetzt. »Kannst du denn nicht die Treppe runtergehen?«
»Nein«, sagt die Mama mit einem vielsagenden Blick.»Ich möchte, dass ihr den Herrn Mondschein kennenlernt ! Übrigens könnt ihr gleich >Heinz< zu ihm sagen. Das ist ihm bestimmt recht.«
»Aber uns ist es nicht recht«, sagt Helmut unwirsch.
»Ich sag nicht Heinz zu dem komischen Mondmenschen«, sagt Marion trotzig.
»Seid doch friedlich, Kinder«, bittet die Mama mit ihrer sanftesten Stimme. »Er ist wahnsinnig lieb…
«Wie Vater, nicht wahr?« braust Helmut plötzlich auf.
Die Mama schweigt. Sie atmet nur tief ein und aus, dass man die Luft durch die Nase pfeifen hört.
Helmut hat ja gleich gewusst, dass da etwas nicht stimmt. Weil die Wohnküche heute gar so ordentlich aufgeräumt ist. Und die Mama darauf bestanden hat, dass Helmut seinen filzstiftverkritzelten Pullover und Marion ihre kakaobefleckte Bluse gegen saubere T-Shirts wechseln sollten.
Der Herr Mondschein kam also herauf!
Das war Alarmstufe eins!! Ein möglicher Vater!
Ein sehr möglicher sogar, denn so fröhlich und so hübsch war die Mama überhaupt noch nie.
Da! Es läutet unten beim Haustor.
»Macht bitte auf!« ruft die Mama aufgeregt und huscht noch einmal ins Badezimmer, um ihre Gesichtsmalerei zu überprüfen.
Marion drückt nicht auf den Knopf, der das Tor öffnen soll. Sie fängt plötzlich an zu weinen.
»Schon gut«, trostet sie Helmut und wuschelt ihr durchs Haar. »Den Herrn Mondschein ekeln wir wieder raus!!«
Das verwuschelte Haar bringt ihn auf eine Idee. Er struwwelt und wühlt noch ein bisschen mehr darin herum, bis Marion wie eine kleine Hexe aussieht, noch dazu, da ihr sowieso vorne zwei Zähne fehlen. Er wuschelt und struwwelt auch seinen Kopf, bis er wie ein Vogelscheuchen-Kopf aussieht.
Unten läutet es noch einmal, kräftiger. Die Mama ist noch im Bad, wahrscheinlich ist ihr wieder Tusche ins Auge gekommen.
Blitzschnell greift Helmut nach der Ketchupflasche und bespritzt Marions blaue T-Shirt-Brust und sein frisches dottergelbes Hemd. Er zupft und zipft und zerrt an den bekleckerten Oberteilen, bis sie wie Malfetzen aussehen.
Unten läutet es Sturm.
»So macht doch endlich auf!!« schreit die Mama aus dem Bad. »Mir ist was ins Auge gefallen!«
Aber Marion und Helmut machen nicht auf.
Noch nicht.
Sie spritzen schnell noch Ketchup ins blank geriebene Spülbecken und über die schöne Tischdecke.
Sie patzen in Windeseile Senf dazu.
Sie streuen Cornflakes über den sauber gekehrten Küchenboden und stauben Zucker und Kakao drüber. Während Marion endlich auf den öffner drückt, taucht Helmut ihr die Finger der anderen
Hand tief in das Nutellaglas, selbst auf die Gefahr hin, dass ihr jetzt das Nägelkauen noch besser schmeckt.
»Da! Schmier mich auch ein bisschen voll!« Helmut hält ihr die Wange hin.
»Uns will bestimmt keiner haben! So wie wir aussehen!«
»Und so, wie’s hier aussieht!« kichert Marion.
Gerade als der Herr Mondschein bei der Wohnungstür hereinkommt, saust die Mama bei der Badezimmertür heraus. »Du lieber Gott!« ruft sie entsetzt.
»Der liebe Gott bin ich zwar nicht«, sagt Herr Mondschein strahlend, »aber trotzdem: Einen schönen guten Abend wünsch‘ ich!«
»Das darf doch nicht wahr sein…«, haucht die Mama und lässt sich auf die Wäschekiste sinken. Sie vergisst ganz, Herrn Mondschein zu begrüßen.
»Ich erkenn‘ euch trotzdem!« sagt er fröhlich, als wäre alles ganz normal. »Trotzder Kriegsbemalung! Du bist Marion. Und du bist Helmut!«
Schweigen.
»Und ich bin Heinz! Habt ihr eine Ketchup-Schlacht gemacht ? Mit echten Tomaten ist es noch lustiger!«
Mist, denkt Helmut. Dieser Herr Mondschein ist okay. Sieht auch ziemlich toll aus, in seinem weiß-schwarzen Hemd und den Jeans mit den vielen Reißverschlüssen.
Helmut grinst. Er kommt sich blöd vor mit seinem Vogelscheuchen-Kopf und dem Ketchup-T-Shirt und dem Nutella-Gesicht. Und wie erst seine Schwester aussieht!
»Was ist denn nur in euch gefahren?« fragt die Mama hilflos. »Sonst machen die Kinder sowas nie«, sagt sie noch hilfloser zu Herrn Mondschein.
»Wenn ich’s eilig habe, sieht’s bei mir auch nicht viel besser aus!« tröstet er sie. »Nur geh ich nicht total bekleckert in ein Restaurant! Oder wollt ihr vielleicht nicht mit?«
»Wir kommen mit?« fragt Helmut erstaunt.
Die Mama lächelt schwach. Nur Marion schaut verbissen auf einen unbestimmten Punkt an der Wand.
»Wir wollen keinen fremden Papa«, sagt sie plötzlich leise. Sie drückt Helmuts Hand, zwangt ihre klebrigen Schokoladefinger zwischen seine Finger. Es ist so still, dass man die Cornflakes unter den Schuhsohlen knistern hört. Die Mama will etwas sagen, aber Herr Mondschein wehrt ab. Er antwortet sehr ruhig: »Ob ich ein Papa sein will«, sagt er ernst, aber freundlich, »das bestimm ich schon selbst. Und euer Papa kann ich nicht sein, weil ich nicht euer Papa bin. Ist doch klar, oder?«
Er nimmt die Mama um die Schultern und mit dem freien Arm den Helmut und die Marion.
So bilden sie alle zusammen fast einen Kreis.
»Und dass wir uns richtig verstehen: Ich nehm euch eure Mama nicht weg. Höchstens nimmt mich die Mama dazu. Wenn sie mag … Das bestimmt wahrscheinlich ihr zwei, ob die Mama mag, oder?«
Helmut beißt sich verlegen auf die Unterlippe. Marion will gerade in der Nase bohren, aber ihr Bruder zieht ihr schnell die Hand weg.
Die Mama erholt sich langsam von dem Schock. »Ihr müsst euch nicht heute entscheiden. Nicht gleich. Vielleicht auch gar nicht!« sagt sie.
Gar nicht? denkt Helmut.
Es ist doch eigentlich richtig schön, so zu viert ganz eng beieinander zu stehen. Ganz anders schön als sonst, weil da noch einer da ist, außer dem Helmut, der Marion und der Mama.
Und der Katze.
Einer, der wirklich alle mag. Samt Ketchup, Senf und Katastrophenküche!
Evelyne Stein-Fischer: 13 Geschichten vom Liebhaben.
München: DTV, 1990